94209 Regen, Karin Rupprecht

20.11.22 * Verhaltenskunde Pferd

Die dunkle, nasskalte Jahreszeit hat begonnen und ich widme mich intensiver dem weiteren Studium der Pferdeverhaltenskunde und der Pferdepsychologie und Physiologie.
Seit einigen Tagen sitze ich wieder mit Freuden über den Publikationen von Prof. Dr. KLAUS ZEEB (*1930 +2020) Tierverhaltensforscher und Fachtierarzt für Verhaltenskunde.
Bereits vor über 50 Jahren hat Prof. Dr. Zeeb angefangen sich für pferdegerechte Ausbildung einzusetzen. Es ist mir unbegreiflich, dass die Grundsätze des fairen Umgangs mit dem Lebewesen und Mitgeschöpf Pferd bis heute sträflich vernachlässigt werden und immer noch oder sogar vermehrt nicht pferdegerechte Ausbildungsmethoden gelehrt und angewendet werden. Prof. Dr. Zeeb setzt viele Grundlagen und Anforderungen an den Menschen im pferdegerechten Umgang voraus.
Ich möchte hier einige wenige Zeilen aus der Veröffentlichung von Prof. Dr. KLAUS ZEEB aus dem Jahre 1994 „Artgemäße Pferdehaltung und verhaltensgerechter Umgang mit Pferden“ für alle interessierten Pferdemenschen zitieren:
"-Die Ausbildung des Pferdes bedeutet seine Gymnastizierung, d.h. die arttypische und verhaltensgerechte Entwicklung von Körper und Verhalten, um das seiner Natur entsprechende Gleichgewicht zu vervollkommnen.
-Bei der Ausbildung und Nutzung des Pferdes ist Voraussetzung, dass das Pferd versteht, was der Mensch von ihm will. Um den Menschen verstehen zu können, muss das Pferd Vertrauen zu ihm haben. Vertrauen ist die Grundlage zum Verständnis.
Vertrauen in diesem Sinne heißt, dass das Pferd den Menschen als ein Lebewesen erkennt, dem gegenüber keine schadensvermeidenden Reaktionen erforderlich sind. Insbesondere bedeutet Vertrauen, dass das Pferd sich auch in schadenbringenden Situationen bei seinem Menschen sicher fühlt.
-Der Ausbilder muss über genug theoretisches Hintergrundwissen verfügen um sich dem Pferd verständlich zu machen. Das setzt beim Menschen Wissen und Einfühlungsvermögen und beim Tier Vertrauen voraus. Der Ausbilder muss das angeborene Artverhalten des Pferdes, sein erworbenes Individualverhalten und seine jeweilige Handlungsbereitschaft kennen sowie sein Ausdrucksverhalten verstehen. Erst wenn all dies von Seiten des Menschen gegeben ist, kann das Verständlichmachen einsetzen.
-Verstehen setzt Gewöhnung an die Hilfen voraus. An unbekannte oder fremde Dinge muss das hochspezialisierte Fluchttier sinnvoll und langsam gewöhn werden. Falls bei der Ausbildung Unsicherheit oder Angst entsteht, muss wieder von vorn begonnen werden. Entscheidend ist, dass der Ausbilder dem Tier genügend Zeit lässt sich mit Fremdem vertraut zu machen.
-Voraussetzung für Lernfähigkeit bei der Ausbildung ist der jeweilige Reifegrad von Körper und Verhalten des Pferds. Überforderung des Organismus und des Lernvermögens bedeutet Rückschritt bei der Ausbildung. Verhalten zeigt einen ähnlichen Reifungsprozess wie er von Organen bekannt ist. Es reicht nicht aus, wenn ein Pferd versteht, was man von ihm will, zusätzlich muss es auch in der Lage sein, die gewünschte Leistung zu erbringen. Verhalten und Körper müssen die nötige Reife haben.
-Um die artgemäße und verhaltensgerechte Entwicklung von Körper und Verhalten des Pferdes zu erreichen, ist auf sinnvollen Aufbau der Übungseinheiten zu achten. Das Lernen kann nur in kleinen Stufen erfolgen, um die Verknüpfung von Hilfengebung, Reaktion und Belohnung sicherzustellen. Das Ziel der Übungseinheit sei nie die fertige Lektion, sondern ein Teilstück davon, welches zu diesem Zeitpunkt erreichbar ist.
-Jegliche Arbeitsleistung des Pferdes wird nicht künstlich vom Menschen geschaffen, sondern aus natürlicher Anlage entwickelt.
-Das Pferd ist nur dann in der Lage, seine angeborenen Anlagen voll zu entfalten, wenn es hinsichtlich seiner arttypischen Lebensbedürfnisse mit der Umwelt in Einklang befindet. Die Geborgenheit im Verband der Herde ist für das soziallebende Tier Pferd wichtig. Um den angeborenen Lebensbedürfnissen des Pferdes zu entsprechen, muss seine Haltungsumwelt entsprechende Eigenschaften haben, d.h. seine Unterbringungs-, Ausbildungs- und Nutzungsumwelt müssen so gestaltet sein, dass das Pferd sich zufrieden anpassen kann. Das stellt wiederum auch den Menschen zufrieden, weil das Pferd seinen Erwartungen entspricht. Darüber hinaus erfüllt der Mensch damit seine ethische Pflicht gegenüber dem Mitgeschöpf. Der Umgang mit dem Menschen soll für das Pferd Geborgenheit in allen Situationen bedeuten. Und keinesfalls darf das Pferd vermenschlicht werden. Höchstes Gebot sei, es Pferd sein zu lassen."
Zitate von Prof. Dr. KLAUS ZEEB (*1930 +2020) Tierverhaltensforscher und Fachtierarzt für Verhaltenskunde